Harzüberquerungen – eine besondere Wanderveranstaltung des MTK Bad Harzburg unter Mithilfe von Institutionen der Stadt

Harzüberquerung
Die Probewanderung 1980 führte am Stoberhai vorbei, dessen Turm heute schon längst nicht mehr steht. Archivfoto: Koch

 

Im Jahr 1973 veranstaltete der Männerturnklub Bad Harzburg (MTK) , wie in dieser Zeit üblich, eine Volkssportveranstaltung um Bad Harzburg mit einer relativ kurzen Streckenführung. Der Gastwirt der damaligen Gaststätte „Löwenbräu“ wollte ein weiteres Lokal in Osterode eröffnen und kam er auf eine guten Werbegag: „Wir wandern von Gasthof zu Gasthof – eine Harzüberquerung“. 

Die Kurverwaltung übernahm als Werbemaßnahme die Organisation und Verantwortung. Wer am Volkswandertag diese Extratour von rd. 42 km ab Bad Harzburg nach Osterode  erwanderte, sollte dort angekommen, ein Bier und eine Haxe erhalten. Statt der vom Wirt Manfred Kaetz  zu erwartenden ca. 30 Teilnehmern kamen über 300 Wanderer. Unter anderem auch „studienhalber“ Horst Woick vom  MTK-Vorstand. Es kam, wie es in Osterode kommen musste, zu einem großen Chaos. Allein die Bus-Rückfahrt für rd. 300 Personen war an einem Sonntag-Nachmittag nicht zu organisieren. Abschließend endete diese sportliche Veranstaltung für die Kurverwaltung mit einer guten PR, aber auch mit einem Verlust von 6.000 DM. Nach langen Beratungen wurde beschlossenen,  diese Veranstaltung auch 1974 zu wiederholen, den Verlust zu übernehmen, aber mit Auftrag keine weiteren Verluste zu verursachen. Aber es kam trotz  ca. 800 Teilnehmern anders. Der nächste Verlust betrug 8.000 DM und diese so werbewirksame Veranstaltung wurde von Seiten der Kurbetriebsgesellschaft und der Stadt eingestellt. Horst Woick als MTK-Teilnehmer, aber auch als Tiefbauingenieur bei der Stadt Bad Harzburg, sah eine andere Möglichkeit diese Veranstaltung mit einer guten Organisations- und Finanzierungsform ohne weitere Verluste durchzuführen. Zusammen mit dem damaligen  1. Vorsitzenden Horst Mayburg, der leider zu früh verstarb,  konnte der Vorstand davon überzeugt werden, die Harzüberquerungen in eigener Regie durchzuführen. Horst Woick wurde 1. Vorsitzender des MTK und damit auch Hauptverantwortlicher der Harzüberquerungen. Der MTK als Veranstalter wickelt die Anmelde- und Durchführungs-Formalitäten selbständig ab. Die Anmeldegebühr wird der voraussichtlichen Ausgabenseite mit einem Sicherheitsbonus angeglichen. Freikarten werden nicht mehr ausgegeben. Der Start, die 5 Kontroll- und Stempelstellen auf der Strecke und der Zielbereich werden vom MTK verantwortlich abgewickelt. Die Streckenbeschilderung wird mit Auf- und Abbau mit Unterstützung des städtischen Bauhofes durchgeführt. Die Teilnehmer erhalten an jeder Kontrollstelle ein kostenloses Mineralwassergetränk, gesponsert von Bad Harzburger oder Okertaler Mineralbrunnenbetrieb. Ferner gibt es im Ziel eine im Startgeld enthaltene Suppe und vor allem eine wertvolle Erinnerungs-Medaille.

 

Medaillen
Die Teilnehmermedaillen sind ein begehrtes Sammelobjekt. Foto: Woick

Der Transport mit ca. 40 Bussen zum Start zwischen 07 bis 09 Uhr wird durch die Kraftverkehrsgesellschaft Bad Harzburg gegen Kosterstattung im Startgeld gewährleistet. Die wichtige Funkbrücke zwischen Start und Ziel wird durch die freiwilligen Feuerwehren der Stadt Bad Harzburg (damals die einzige funktionierende Möglichkeit) aufrecht gehalten. Dafür erhalten die Wehren die Genehmigung bestimmte Getränke und Essen an den Kontrollstellen mit Gewinn zu Gunsten der Feuerwehr-Kameradschaftskassen zu verkaufen. Für alle eine sehr gute „win – win“ Situation! Das „Rote Kreuz“ im Kreis Goslar gewährleistet die Hilfe- und Gesundheitsversorgung bei der Veranstaltung. Schon nach der ersten neuen Harzüberquerung im Jahr 1975 bewährt sich das System und mit 941 Teilnehmern und rd. 250 ehrenamtlichen Helfern wird es eine allgemein gelobte und vor allen Dingen auch eine  finanziell  erfolgreiche Veranstaltung. Diese besondere Wanderung spricht sich schnell herum und  „Die HARZÜBERQUERUNG“ des MTK wird ein voller Erfolg. Die sehr ansprechenden Erinnerungsmedaillen mit unterschiedlichen Harzer Motiven kamen bei den Teilnehmern sehr gut und waren begehrt.

Die ständig steigenden Teilnehmerzahlen sprechen für sich. Das Krodobad als Zielort wird zu klein und die Galopprennbahn wird das neue Stadion für die Abschlussveranstaltungen, mit Teilnehmern und vielen Zuschauern. Im Jahr 1982 wird der Rekord mit 5.200 Teilnehmern erreicht. Aber nicht nur dieses, sondern auch die Probleme mit den Forstämtern, den Genehmigungsbehörden und dem Naturschutz allgemein nehmen zu, obwohl die Strecken nach Ende der Veranstaltung nie so sauber waren, wie zuvor! Auch ein Erfolg der Kontrollkräfte! Die weiteren Teilnehmerzahlen wurden auf max. 4.000 Personen eingestellt. Dann kam eine neue Situation, die völlig überraschende Öffnung der Grenze zur DDR. Ein neues Wandergebiet mit dem Brocken als „Höhepunkt“ konnte nun erschlossen werden. Die Planung für das Jahr 1990 musste kurzfristig dem angepasst und schnellstmöglich erneuert werden. Der Brocken war die neue spektakuläre Zwischenstation. Aber wer war in der damaligen Noch-DDR überhaupt zuständig? Horst Woick, inzwischen auch Kurdirektor von Bad Harzburg, hatte guten Kontakt zum neuen Kreisdirektor Dr. Ermrich in Wernigerode (später Präsident des Gesamt-Harzklubs), und der befürwortete die neue Route über den Brocken. Das sah die noch im Amt befindliche DDR-Regierung ganz anders. Am Tag der Veranstaltung kam aus Berlin das Verbot der Brockenbesteigung. Na ja, das hat sich dann von allein überholt. Die Harzüberquerung über den Brocken war auch Dank der beteiligten NVA (Nationale Volksarmee) ein voller Erfolg und die DDR-Regierung in Berlin war schnell Geschichte! Aber die neue Landesregierung in Magdeburg war weiter dagegen und auch im Land Niedersachsen wurden die Widerstände, damit auch der Verwaltungsaufwand beim MTK, immer größer. Es war alles nicht mehr zeitgemäß. Horst Woick hatte in seiner Funktion als Kurdirektor nach der Wende sehr viele neue Aufgaben und schied deshalb zur weiteren Organisation von Harzüberquerungen aus. Der neue 1. Vorsitzende des MTK , Manfred Mattheis  versuchte mit „Kalle“ Krückert noch eine weitere Harzüberquerung, aber die Einsicht siegte, dass die Mühen der Vorbereitung  und der Genehmigungen zu viel des Guten sind, und so verzichtete der MTK auf die Weiterführung der beliebten Harzüberquerungen. Horst Woick ging in den Ruhestand, wurde aber ehrenamtlicher Wanderführer der neuen „Kurverwaltung“ (Kur-, Tourismus- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt Bad Harzburg – KTW) und Waldführer im Nationalpark HARZ.   Was lag nun nahe, mit einer neuen Organisation die Harzüberquerungen als Kurgastwanderung wieder aufzuleben.  Immer mit einen Bus voller Wanderer  und mit allen Forstverwaltungen streckenmäßig abgestimmt ,  wurde der gesamte Harz fächerförmig  von den Südharzorten mit Harzüberquerungen überdeckt und nach Bad Harzburg erwandert.

 

Statistik HQ
Übersicht über die ersten 20 Harzüberquerungen. Foto: Woick

Nach vielen weiteren Harzüberquerungen musste Horst Woick seinem fortgeschrittenen Alter Tribut zollen und fand einen Nachfolger, damit die beliebten  Harzüberquerungen auch zukünftig weitergeführt werden können.

Abschließend kann festgestellt werden, dass die vielen Harzüberquerungen durch den MTK,  finanziell immer mit einer sehr schwarzen Null,  für unseren MTK, sportlich wie organisatorisch,  ein voller Erfolg waren. An dieser Stelle ist allen, die daran ehrenamtlich und egal in welcher Funktion beteiligt waren, sehr, sehr herzlich zu danken. Es war eine eingeschworene Gemeinschaft, wo alle Beteiligten jeweils auf ihren mit Leidenschaft besetzten Posten, das Bestmögliche getan haben. Es waren häufig schwer zu meisternde Situationen, aber am Schluss hat immer alles bestens geklappt.   Unvergessen sind bei diesem Personenkreis die vielen Probewanderungen, die vor der Veranstaltung für die „Kontroller“ und Behördenvertreter zusätzlich veranstaltet wurden.

 

Bad Grund
Start der Probewanderung in Bad Grund. Foto: Archiv

Ob man heute noch so eine Großveranstaltung über so eine lange Strecke durchführen könnte, ist zweifelhaft. Es war damals ein Gemeinschaftswerk, wie es besser nicht hätte funktionieren können. Zur Ertüchtigung der Sportlichen, für Naturfreunde die den Harz in seiner Vielfalt kennlernen wollten, zur Kameradschaft, Freude und Ehre des MTK etwas Besonderes für die Allgemeinheit geschafft zu haben und letztlich für den gesamten Harz mit seinen verschiedenen touristischen Orten vom Start bis zum Ziel und vor allem  den Gästen und Bewohnern gesamten Stadt Bad Harzburg!   

Horst Woick